Organspende

Viele Fragen, wir antworten

Der Austausch zum Thema Organspende ist wichtig. Auch Emotionen und Ängste gehören dazu. Jeder hat das Recht oder sogar die Pflicht, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese offen zu äußern. Vor allem aber sollte jeder sich informieren und eine Entscheidung treffen.

 

Im Rahmen einer umfangreichen Facebook-Diskussion mit knapp 300 Kommentaren haben wir einige häufig gestellte Fragen im Folgenden zusammengefasst und beantwortet, ganz sachlich und informativ.

Der Hirntod

Gibt es ihn wirklich? Können Hirntote wieder aufwachen? Ist die Diagnose verlässlich? Worin liegt der Unterschied zwischen Koma und Hirntod? Warum werden bei einer Organentnahme Schmerzmittel verabreicht? Wieso zucken Menschen bei der Organentnahme, obwohl sie hirntot sind?

1) Hirntot bedeutet tot, Aufwachen ist unmöglich

Es gibt tatsächlich keinen einzigen Fall, in dem eine Patientin oder ein Patient aus dem Hirntod ins Leben zurückgekehrt bzw. wieder aufgewacht ist. Der Hirntod ist irreversibel und bedeutet, dass der Körper seine Funktionen ohne die Hilfe von Maschinen sofort einstellen würde. 

Die Maschinen halten den Körper künstlich funktionsfähig. Dies ist notwendig, damit die Organe in einem guten Zustand bleiben und transplantiert werden können.

2) 4-Augen-Prinzip bei Hirntod-Diagnose

Die Diagnose Hirntod wird von mindestens zwei voneinander unabhängigen Fachärztinnen bzw. -ärzten gestellt, protokolliert und archiviert (4-Augen-Prinzip).

Auf diese Daten kann auch später noch jederzeit zugegriffen werden.  

Diese Ärztinnen und Ärzte sind außerdem nicht an der Entnahme oder Übertragung von Organen oder Gewebe beteiligt.

3) Unterschied zwischen Koma und Hirntod

Darüber hinaus sind der Hirntod und das Koma in seinen diversen Stufen zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Koma = Chance, aufzuwachen. Hirntod = Tod.

4) Trotz Reaktionen des Körpers (z. B. Zucken) während Organentnahme: der Mensch ist hirntot


Zu der häufig aufkommenden Frage, warum ein Mensch bei der Organentnahme zuckt: Hierbei handelt es sich um Körperreaktionen bzw. um Reflexe, die aus dem Rückenmark, nicht aber aus dem Gehirn kommen. 

Aus diesem Grund werden auch Medikamente verabreicht: Sie unterdrücken einige dieser Reflexe und Steuerungsmechanismen, was während der Organentnahme wichtig ist. Narkosemittel erhalten Organspenderinnen und -spender übrigens nicht, da ihr Gehirn tot ist.

Die Organvergabe

Erhalten Privatversicherte schneller ein Organ? Können Organe gekauft werden? Verdienen Kliniken mit der Organtransplantation Geld (machen das große „Geschäft“)? Wird bei der Organvergabe manipuliert?


1) Kliniken bereichern sich nicht an der Organspende

Geld spielt tatsächlich eine Rolle: Denn eine Transplantation sowie die damit verbundenen Behandlungen kosten Geld. Und zwar nicht wenig. Dass die Kliniken damit das große „Geschäft“ machen und sich bereichern, stimmt allerdings nicht. 

Die Krankenhäuser erhalten eine pauschale Aufwandsentschädigung. Außerdem gibt es festgeschriebene Fallpauschalen für die Entnahmeoperation. 

Diese Beträge können jederzeit nachvollzogen werden. Eine Gewinnerwirtschaftung durch Organspende ist nicht vorgesehen.
Wie eine Organtransplantation finanziert wird, zeigt diese Grafik.


2) Keine Manipulation – Reiche und Privatversicherte erhalten NICHT schneller ein Organ

Für die Zuteilung eines Organs sind viele Faktoren entscheidend. Zudem gelten für jedes Organ andere Kriterien, wenn es um die Aufnahme auf die Warteliste geht.

Unter anderem die Blutgruppe und die Dringlichkeit, jedoch auch die Größe, das Körpergewicht und das Alter. Ebenso wichtig sind die Dauer des Transports zwischen Entnahmekrankenhaus und Transplantationszentrum. Je kürzer der Transportweg, umso besser sind die erzielbaren Transplantationsergebnisse.

3) Skandale aus der Vergangenheit: Gesetzeslücken behoben

In der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Ärztinnen und Ärzte die Patientendaten manipulierten, um die Dringlichkeit zu erhöhen und potenzielle Empfängerinnen und Empfänger auf der Warteliste weiter oben zu platzieren.


Seit einigen Jahren gilt hier sogar das 6-Augen-Prinzip. Das heißt: Innerhalb der Transplantationszentren sind mindestens drei Personen für die Abläufe verantwortlich. Dabei übernimmt jede von ihnen eine andere Funktion: von der Aufnahme auf die Warteliste, über die Aktualisierung der Patientendaten bis hin zur Abmeldung einer Person.

Auch auf der Seite der potenziellen Spenderinnen und Spender beurteilen immer zwei voneinander unabhängige Ärztinnen und Ärzte den Zustand der verstorbenen Person. Beispielsweise, wenn es um die Hirntod-Diagnose geht.

Und Fakt ist auch: Kriminelle Energien gibt es sicher in allen Lebensbereichen – überall, wo Menschen Entscheidungen treffen können. Dies sollte jedoch kein Grund sein, ein gesamtes System infrage zu stellen.

Die Widerspruchslösung

Verlieren die Bürger hierdurch ihre Entscheidungsfreiheit? Ist diese Regelung vertretbar? Und warum muss das Gesetz überhaupt geändert werden?

Im Januar 2020 wurde zuletzt über eine gesetzliche Neuregelung zur Organspende entschieden – und auch heute ist das Thema wieder brandaktuell. Die damals vorgeschlagene Widerspruchslösung sorgte dabei am meisten für Diskussionen und Unruhe. Im Folgenden ein paar Denkanstöße:

1) Jeder entscheidet weiterhin frei über seine Organe, niemand wird bevormundet

Im Grunde beinhalten alle Regelungen dasselbe: Die Entscheidung für oder gegen die Organspende obliegt jedem selbst. Sowohl bei der Entscheidungslösung als auch bei der Widerspruchslösung. Niemand wird bevormundet.

Leider neigt der Mensch von Natur aus dazu, schwierige und unangenehme Entscheidungen vor sich her zu schieben. Nach dem Motto: Wenn Du nicht weißt, was Du tun sollst, tue erstmal gar nichts.

Bei der Entscheidungslösung ist es ganz einfach: Ich will mich nicht damit beschäftigen, also entscheide ich mich nicht.

2) Organspende ja oder nein? Eine zumutbare Entscheidung

Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, kann einem erwachsenen Menschen durchaus zugemutet werden. Immerhin müssen auch in anderen Lebensbereichen Entscheidungen getroffen und hierzu Informationen gesammelt werden.

3) Aktuelle Entscheidungslösung: Deutschland im Allgeingang

Im Übrigen steht Deutschland mit der aktuellen Regelung ziemlich alleine da, profitiert jedoch am meisten vom Organaustausch mit anderen Eurotransplant-Ländern.

4) In anderen Ländern ist jede bzw. jeder automatisch Organspenderin bzw. Organspender

In den meisten europäischen Ländern hat sich die Widerspruchslösung längst durchgesetzt. Wer also zum Beispiel einen Urlaub in Spanien oder Belgien plant, sollte einen englischsprachigen und ausgefüllten Organspendeausweis bei sich tragen. 

Denn in diesen Ländern gelten auch alle deutschen Staatsangehörigen automatisch als potenzielle Organspenderinnen und Organspender, sofern sie nicht explizit widersprechen.