Menschen

Neue Lunge, neues Leben

Wer Claudia Krogul heute begegnet, kann kaum glauben, dass diese fröhliche temperamentvolle Frau noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit im Rollstuhl gesessen hat. Nicht aufgrund einer Lähmung, sondern weil sie einfach zu schwach war und kaum Luft bekam. Mukoviszidose, eine genetische Krankheit, machte ihr das Leben schwer und nahm ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Als die Lungenwerte sich drastisch verschlechterten, gab es eigentlich nur zwei Alternativen: Tod oder Transplantation.

Lebensritter: Frau Krogul, was ist eigentlich Mukoviszidose?

 

Claudia Krogul: Mukoviszidose ist eine unheilbare Stoffwechselerkrankung, die bei mir im Alter von dreieinhalb Jahren diagnostiziert wurde. Durch das Fehlen des Chromosoms 7 produziert der Körper alle körpereigenen Sekrete nur noch „eingedickt“. Der zähe Schleim verklebt vor allem die Lunge, zieht aber auch andere Organe in Mitleidenschaft, zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse. Schrittweise verlieren die Organe dann ihre Funktionstüchtigkeit.

 

Meine Prognose damals war niederschmetternd: Die Ärzte sagten meinen Eltern, dass ich keine 16 Jahre alt werden würde. Zum Glück lagen sie falsch. Mit 30 haben alle meine Freunde gestöhnt: „Oh Gott! Schon 30!“ Ich habe gesagt: „Yes! 30 geschafft!“ Ich bin noch hier – und bald werde ich 40 … Für die Spende bin ich unbeschreiblich dankbar, denn ohne die Transplantation würde ich nicht mehr leben.

„’Yes! 30 geschafft!‘ Ich bin noch hier – und bald werde ich 40 … Für die Spende bin ich unbeschreiblich dankbar, denn ohne die Transplantation würde ich nicht mehr leben.“

Lebensritter: Feiern Sie Ihren Geburtstag?

 

Claudia Krogul: Na klar! Es gibt wieder eine Riesen-Party mit allem Drum und Dran. Aber ich feiere nicht meinen eigentlichen Geburtstag, sondern meinen zweiten, also den Tag, an dem ich die neue Lunge bekommen habe.

Lebensritter: Wie kann man sich ein Leben mit Mukoviszidose vorstellen?

 

Claudia Krogul: Schlimm! Man hat nie genug Luft zum Atmen, selbst kleinste Anstrengungen fallen schwer und dauern extrem lange. An guten Tagen konnte ich schon mal staubsaugen, aber in der Regel musste mein Mann oder meine Mutter helfen, ich selbst habe das nicht geschafft. Spazierengehen? Fehlanzeige! Kino, Party? Keine Chance! Wie gesagt, ich saß irgendwann im Rollstuhl, hatte immer mein Sauerstoffgerät dabei und musste nachts beatmet werden.

 

Jeder Infekt konnte tödlich sein. Mein Lungenvolumen lag zum Schluss nur noch bei 12 %, heute liegt es bei 113 %! Trotzdem habe ich mein Leben genossen und immer versucht, das Beste draus zu machen – ich habe sogar eine Ausbildung angefangen, die ich aber leider wegen meiner Krankheit nicht abschließen konnte. Ich war dann mit 19 Jahren schon Rentnerin!

„Schlimm! Man hat nie genug Luft zum Atmen, selbst kleinste Anstrengungen fallen schwer und dauern extrem lange.“

Lebensritter: Wie lange haben Sie auf die Lunge gewartet?

 

Claudia Krogul: Zwei Jahre und drei Monate stand ich auf der Warteliste. Am Anfang habe ich bei jedem Telefonklingeln Herzklopfen gehabt, weil ich dachte, jetzt ist es so weit.

 

Ostern 2012, am 20. März um 4:01 Uhr, kam dann der erlösende Anruf. Um 6 Uhr stand der Krankenwagen vor der Tür, um 23:59 Uhr war die Lunge angeschlossen, um 2:41 Uhr wurde die letzte Naht gemacht. Aufgewacht bin ich dann am 21. nachmittags.

 

Als mir der Tubus gezogen wurde, habe ich erst mal tief eingeatmet – so tief eingeatmet wie noch nie in meinem Leben. Das war ein unglaubliches Gefühl.

„Als mir der Tubus gezogen wurde, habe ich erst mal tief eingeatmet – so tief eingeatmet wie noch nie in meinem Leben. Das war ein unglaubliches Gefühl.“

Lebensritter: Gab es Komplikationen?

 

Claudia Krogul: Zum Glück keine nennenswerten. Nach vier Wochen gab es eine Abstoßungsreaktion – das passiert schon mal, das bekommt man mit Cortison aber wieder in den Griff. Ich war eine Versuchspatientin im Rahmen einer Forschungsstudie und habe als erste Mukoviszidose-Patientin eine „warme Lunge“ transplantiert bekommen.

 

Normalerweise werden die Organe ja gekühlt transportiert, die „warme Lunge“ dagegen in einem speziellen Gerät, das einem Brutkasten ähnelt. Darin wird die Lunge in einem fortgesetzten Atmungszustand gehalten und zusätzlich mit einer Perfusionslösung „durchblutet“, die mit roten Blutkörperchen angereichert ist. Erst unmittelbar vor der eigentlichen Transplantation wird die Spenderlunge von dem Gerät getrennt und dann implantiert.

 

Dadurch ist die Lunge außerhalb des Körpers länger lebensfähig – bis zu zwölf Stunden – und es gibt weniger Komplikationen. Das Ganze nennt sich Organ Care System (OCS).

Lebensritter: Und wie sieht Ihr Leben jetzt aus?

 

Claudia Krogul: Einfach wunderbar – und ganz anders als vor der Transplantation! Ich kann atmen, ich habe wieder Energie. Ich fotografiere leidenschaftlich gerne, nehme auch an Fotoworkshops und Seminaren teil. Nach der Transplantation habe ich an der Volkshochschule PC-Kurse besucht, um mich weiterzubilden. Mein erstes Projekt war ein Info-Flyer mit einem aufgeklebten Organspendeausweis, in dem ich meine Geschichte erzähle. Ich weiß nicht mehr, wie viele ich davon gedruckt habe – auf jeden Fall habe ich sie an alle verteilt, die mir über den Weg gelaufen sind. So bin ich dann auch mit dem BDO, dem Bundesverband der Organtransplantierten, in Kontakt gekommen.

 

Mittlerweile leite ich die Regionalgruppe Münsterland, bin Beisitzerin im Vorstand, kümmere mich um die Homepage des Verbandes, den Newsletter und Facebook-Auftritt. In Schulen halte ich Vorträge, bin jetzt auch stellvertretende Sprecherin des Netzwerks Organspende NRW und sitze in der Planungsrunde zum Tag der Organspende.

„Einfach wunderbar – und ganz anders als vor der Transplantation! Ich kann atmen, ich habe wieder Energie.“

Lebensritter: Uff – viel zu tun! Ist das denn alles zu schaffen mit einer neuen Lunge? Müssen Sie sich nicht schonen?

 

Claudia Krogul: Nein, das klappt alles ganz prima. Natürlich bin ich viel unterwegs, aber die Aufklärungsarbeit rund um die Organspende ist ja extrem wichtig. Wir haben immer noch viel zu wenig Spender. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen und dann den Ausweis ausfüllen – ob mit Ja oder Nein. Ich spreche ja mit vielen Menschen über die Organspende und bemerkenswert ist, dass die Jungen sehr aufgeschlossen sind. Bei den 30- bis 40-Jährigen, die gerade eine Familie gegründet haben, ist es schwieriger. Ab 60 gehen die Leute dann wieder offener damit um. Und es gibt übrigens nach oben keine Altersgrenze: Es gibt sogar eine Leberspende von einer 96-Jährigen!

 

Aber zurück zur Frage: Es gibt in meinem Alltag natürlich viele Dinge, die ich als Lungentransplantierte beachten muss. Das fängt zum Beispiel bei den Tabletten an: 40 Stück muss ich täglich nehmen, und zwar streng nach Uhrzeit. Beim Essen passe ich auf – ich darf nichts Rohes zu mir nehmen, Fleisch muss immer durchgebraten sein. Und Walnüsse gehen gar nicht. Salat und Obst ist auch schwierig, Vitamine nehme ich über Tabletten zu mir. Ich muss alles meiden, wo Schimmelpilze drin sein könnten. Deshalb habe ich auch keine echten Pflanzen in der Wohnung.

 

Aber das sind alles Dinge, die man relativ leicht im Alltag umsetzen kann. Und wenn man bedenkt, dass ich ohne die neue Lunge nicht mehr hier sitzen würde, fällt einem das ohnehin sehr leicht …

 

Wer mehr über Claudia Krogul, ihre neue Lunge und das Thema Organspende erfahren möchte, kann sich auf ihrer Homepage informieren. Hier gibt es auch ihren Blog „Dickydackel rockt das Leben“.

 

 

Statement von Claudia Krogul im Videointerview.

Sind Sie auch ein Lebensritter und haben eine Geschichte zum Thema Organspende zu erzählen?

Kontaktieren Sie uns gerne direkt unter kontakt@lebensritter.de.