Menschen

Das Monster ist weg, jetzt schlägt Sefay …

Günter Breitenberger lebte zwei Jahre lang mit einem Kunstherzen, bis eine Entzündung das Weiterleben mit der künstlichen Pumpe unmöglich machte. Der Wetteraner rückte auf der Transplantationsliste ganz weit nach oben und bekam bereits 15 Tage später, am 06.05.2017, ein neues Herz.

 

Lebensritter: Herr Breitenberger, Sie haben nur 15 Tage auf der Warteliste gestanden – das ist nicht lang …

 

Günter Breitenberger: Nein, wirklich nicht. Im Schnitt warten die Patienten sechs bis neun Monate. Und viele warten vergebens … Ich hatte echt Glück, zumal sich bei mir noch ein Blutgerinnsel im Kopf gebildet hatte. Das musste erst aufgelöst werden, sonst hätte man die Operation gar nicht durchführen können. Die Transplantation an sich ist gut verlaufen. Nach drei Wochen hatte ich allerdings eine erste Abstoßung Grad 2, jetzt vor kurzem eine erneute Abstoßung Grad 1. Davon habe ich aber überhaupt nichts gemerkt. Die Abstoßung wurde festgestellt, als ich bei meiner regelmäßigen Kontrolle beim Arzt war. Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung. [Anm. Lebensritter: Nach einer Transplantation kann es zu einer Abstoßungsreaktion des Körpers gegenüber dem Transplantat kommen, wobei diese Reaktion in verschiedenen Graden gemessen wird; Grad 1 und 2 sind leichte Abstoßungsreaktionen, die u. a. medikamentös behandelt werden.]

 

„Ich hatte echt Glück, zumal sich bei mir noch ein Blutgerinnsel im Kopf gebildet hatte.“

Lebensritter: Wie oft müssen Sie zum Arzt?

 

Günter Breitenberger: Es gibt festgelegte Kontrolltermine nach drei Wochen, vier Monaten, einem Jahr. Dafür fahre ich nach Bad Oeynhausen, wo auch die Transplantation stattgefunden hat. Ich könnte sicherlich auch hier in der Nähe in eine Klinik, aber das möchte ich nicht. In Bad Oeynhausen kenne ich die Menschen und vertraue ihnen. Wenn ich da bin, gehe ich auch immer noch durchs Haus und sage allen guten Tag und plaudere, wenn es die Zeit erlaubt. Ich bin immer super betreut worden, auch mit meinem künstlichen Herzen, hatte nie Angst, dass etwas ausfallen könnte, zum Beispiel bei einem Stromausfall zu Hause, und es gab auch nie Probleme mit porösen Kabeln oder Ähnlichem.

 

„Es gibt festgelegte Kontrolltermine nach drei Wochen, vier Monaten, einem Jahr.“

Lebensritter: Was ist der größte Unterschied zwischen dem künstlichen Herzen und dem Spenderorgan?

 

Günter Breitenberger: Die Herzpumpe ist ein Fremdkörper, den man ständig spürt – und hört. Sie klingt wie eine kleine Turbine. Tagsüber hat es mich kaum gestört, aber kurz vorm Einschlafen, wenn alles ruhig ist, dann war es extrem. Sie drückte auch immer irgendwo, bei jeder Bewegung, deshalb habe ich sie auch mein „Monster“ genannt. Die Energieversorgung fürs VAD (Ventricular Assist Device System) musste ich Tag und Nacht in einer kleinen Tasche bei mir tragen. Der Schlauch, der aus dem Körper herausführt, wurde mir dann zum Verhängnis, weil sich dort eine Entzündung gebildet hat. Das neue Herz war für mich zu keinem Zeitpunkt ein Fremdkörper. Es hat sich angefühlt wie eine warme, kuschelige Decke – ganz im Gegensatz zu meinem alten metallenen Monster.

„Die Herzpumpe ist ein Fremdkörper, den man ständig spürt.“

Lebensritter: Was hat sich für Sie geändert? Wie lebt es sich mit einem neuen Herzen?

 

Günter Breitenberger: Im Haushalt mussten wir nicht viel verändern, nur ein paar Kleinigkeiten. Biomüll zum Beispiel. Den bringen wir sofort raus, wenn er anfällt. Ihn länger in der Küche zu lassen oder zu warten, bis der Mülleimer voll ist, das geht nicht. Wir haben jetzt auch zum Beispiel Kunststoffbrettchen in unterschiedlichen Farben: grün für Gemüse, blau für Fisch, weiß für Brot usw. Auch mit unserem Hund gibt es keine Probleme, wenn ich mich an bestimmte Regeln halte. Kuscheln mit Pepe, unserem Shetland Sheepdog, ist in Ordnung, wenn ich mir danach die Hände wasche. Von der Schnauze muss ich mich fernhalten und auch darauf achten, dass Pepe meinem Gesicht nicht zu nahe kommt. Ich gehe täglich mit ihm raus, dann laufen wir unsere fünf bis sechs Kilometer, sind dann ein bis zwei Stunden unterwegs. Und hier in Wetter ist es ja schön bergig – also immer Hügel rauf, Hügel runter und wieder rauf. Das klappt mittlerweile ganz gut und ist ein prima Training für mich. Direkt nach meiner Transplantation ging das natürlich nicht, gar nicht mal wegen des neuen Herzens, sondern wegen der Muskeln – ich hatte ja alles in allem vier Monate nur gelegen, da war meine Muskulatur quasi gar nicht mehr vorhanden. Und natürlich die Operationsnarbe, die musste ja auch erst einmal verheilen. [Anm. Lebensritter: Bei Transplantierten muss im eigenen Haushalt auf einiges geachtet werden, um Infektionen vorzubeugen, u. a. sind Topfpflanzen und Biomüll aus dem Haushalt zu entfernen, da hier Pilze wachsen könnten und diese im schlimmsten Fall Infektionen auslösen.]

„Kuscheln mit Pepe, unserem Shetland Sheepdog, ist in Ordnung, wenn ich mir danach die Hände wasche.“

Lebensritter: Als leidenschaftlicher Hobby-Koch müssen Sie sich jetzt umstellen, fällt Ihnen das schwer?

 

Günter Breitenberger: Nein, eigentlich nicht. Ich muss natürlich auf vieles verzichten, u. a. auf rohen Fisch und rohes Fleisch. Wenn ich zum Beispiel Hackfleisch zubereite, kann ich es nicht abschmecken. Aber man wird erfinderisch – ich mache mir zum Probieren dann kleine Hackfleischbällchen, die ich ganz durchbrate. Eine Freundin backt Salami im Backofen und so kann ich trotzdem ein Salami-Brot essen. Es gibt immer Möglichkeiten, man entwickelt neue Ideen. Momente, in denen ich einen richtigen Heißhunger auf etwas habe, das ich nicht essen darf, sind selten. Ich koche für meine Familie, und wenn sie sich Spaghetti Carbonara wünscht, bekommt sie das auch. Ich mache mir dann eine Extra-Portion ohne Ei. [Anm. Lebensritter: Rohes Fleisch, roher Fisch und rohe Eier sind ebenfalls Infektionsherde.] Das geht alles. Meine Familie muss sich nicht meinem Speiseplan anpassen, das kriegen wir auch so hin.

„Ich koche für meine Familie, und wenn sie sich Spaghetti Carbonara wünscht, bekommt sie das auch. Ich mache mir dann eine Extra-Portion ohne Ei.“

Lebensritter: Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit?

 

Günter Breitenberger: Ich gehe regelmäßig zur Herzsportgruppe Ennepetal. Da sind nicht nur Transplantierte, sondern auch Leute mit „normalen“ Herzbeschwerden. Es geht in erster Linie um Beweglichkeit und Ausdauer. Ich mache Gymnastik, trainiere auf dem Ergometer und werde, sobald es geht, auch wieder mit Volleyball und Schwimmen anfangen. Ich gehe auch regelmäßig zur Selbsthilfegruppe. Wir treffen uns einmal im Monat in Mettmann. Hier bin ich mit Menschen zusammen, die das Gleiche erlebt haben wie ich. Wir tauschen uns über alles Mögliche aus – Behörden, Essen, Urlaub und medizinische Probleme. Ich kann das nur jedem empfehlen. Nicht nur nach der Transplantation, sondern auch schon vorher, in der Vorbereitung. Man bekommt so viel mit und ist darauf vorbereitet, was einen alles erwarten könnte. Das hilft.

Lebensritter: Warum gibt es Ihrer Meinung nach so wenige Spender bzw. warum wollen sich die Menschen nicht mit dem Thema befassen?

 

Günter Breitenberger: Ich glaube, man möchte sich nicht mit dem eigenen Tod beschäftigen, das mögen die Leute nicht. Für jemanden, der nicht betroffen ist, ist das ganze Thema auch sehr theoretisch. Ich finde, man muss dem Ganzen ein Gesicht geben, dann reagieren die Leute auch anders. Wenn sie wirklich mal Transplantierten gegenüberstehen, mit ihnen sprechen und sehen, was eine Spende bewirken kann, ist das etwas ganz anderes. Und was viele vergessen – als Spender rettet man ja nicht nur ein Leben! Leber, Herz, Lunge und andere Organe können vielen Menschen helfen. Natürlich akzeptiere ich es, wenn sich jemand gegen eine Spende entscheidet. Wichtig ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigt.

Organspende darf kein Schreckgespenst sein, wir brauchen mehr Informationen darüber, wie eine Spende abläuft. Deshalb will ich auch verstärkt Öffentlichkeitsarbeit machen. Ich gebe Interviews, der WDR hat sich schon angekündigt, ich will Vorträge halten. Beim letzten Vortrag lag ich leider im Krankenhaus, aber wir haben einfach über Handy eine Live-Schaltung zu mir ans Krankenbett gemacht – und haben über 1000 Organspendeausweise ausgeben können!

Lebensritter: Denken Sie manchmal an den Spender?

 

Günter Breitenberger: Nicht als Person, ich weiß ja nicht, wer mein Spender war. Aber ich bin unendlich dankbar, dass er sich für eine Organspende entschieden und mir so das Leben gerettet hat. Diese Dankbarkeit empfinde ich jeden Tag aufs Neue. Was ich durch das neue Herz gewonnen habe, kann ich gar nicht in Worte fassen; ich versuche es immer wieder, aber es gelingt mir nicht. Es ist einfach unbeschreiblich.

Lebensritter: Was hat es mit Sefay auf sich?

 

Günter Breitenberger: Während ich in Bad Oeynhausen lag, bin ich von einer ganz tollen Schwester versorgt worden. Ich war ein bisschen verzweifelt, als sie in Urlaub gehen wollte. „Was soll ich denn ohne Sie machen?“ habe ich gefragt. Sie hat nur geantwortet: „Keine Sorge, ich bin rechtzeitig wieder da und bereite Sie für die HTX (Herztransplantation) vor, machen Sie sich mal keine Gedanken.“ Und so war es auch. Sie war diejenige, die mich nachts um 2 Uhr mit der Botschaft geweckt hat: „Wir haben ein Herz für Sie.“ Mein Herz habe ich nach dieser Schwester benannt – Sefay

„Was ich durch das neue Herz gewonnen habe, kann ich gar nicht in Worte fassen; ich versuche es immer wieder, aber es gelingt mir nicht. Es ist einfach unbeschreiblich.“

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