Menschen

Das ist kein Spaziergang

Die 5-jährige Janne hüpft herum und zeigt ihrer Mutter die gerade neu gelernten Ballettübungen, bastelt nebenbei eine Perlenkette und futtert sich durch die Keksmischung. Vater Lars kommt von der Arbeit nach Hause und begrüßt seine Familie. Eine völlig entspannte und normale Situation. Dass alle ihren Alltag so unbekümmert genießen können, dass Janne überhaupt geboren wurde, ist nicht selbstverständlich – denn Mutter Katja Möller-Golnik lebt mit einer transplantierten Leber.

Lebensritter: Frau Möller-Golnik, Sie haben 2001 eine neue Leber bekommen. Wie geht es Ihnen mit dem neuen Organ?

 

Katja Möller-Golnik: Sehr, sehr gut. Ich lebe wie ein normaler Mensch. Ich bin schmerzfrei, habe keine Probleme. Natürlich muss ich Medikamente nehmen, die Immunsuppressiva gegen Abstoßung, aber ansonsten habe ich keine Einschränkungen. Ich treibe viel Sport, gehe arbeiten, genieße meinen Alltag. Ich kann sogar sagen, dass ich nicht so oft krank bin wie andere. Und wenn mich mal eine Erkältung erwischt, die bei mir dann auch länger dauert, nehme ich so wenige Medikamente wie möglich. Bei Arzt-Besuchen bin ich immer ein Sonderfall, ein Risiko-Patient. Das ist auf der einen Seite blöd, auf der anderen Seite gibt mir das natürlich Sicherheit.

„Bei Arzt-Besuchen bin ich immer ein Sonderfall, ein Risiko-Patient. Das ist auf der einen Seite blöd, auf der anderen Seite gibt mir das natürlich Sicherheit.“

Lebensritter: Das klingt alles sehr positiv …

 

Katja Möller-Golnik: Ja, ist es auch. Die Leute sind immer überrascht, wenn ich von meiner Transplantation erzähle – man sieht mir das ja nicht an. Ich gehe auch sehr locker mit dem Thema um, manchmal vielleicht zu locker: Andere haben dann das Gefühl, eine Transplantation ist ein Spaziergang. Das ist sie aber definitiv nicht!

Lebensritter: Was ist denn genau geschehen?

 

Katja Möller-Golnik: Es passierte von jetzt auf gleich, nichts hat sich angekündigt. Eines Tages waren meine Augen gelb. Die Ärzte tippten auf einen Gallenstau, aber das war es nicht. Ich bin dann nach Münster in die Klinik gekommen und mir wurde zwei Wochen später die Leber transplantiert – ich hatte Glück ohne Ende, das war zweimal ein Sechser im Lotto.

Lebensritter: Wieso zweimal?

 

Katja Möller-Golnik: Weil ich innerhalb einer Woche zweimal einer Transplantation unterzogen werden musste. Die erste Leber hat nur zu 30 % gearbeitet und war auch zu groß. Sie wurde mir trotzdem eingesetzt – aber ich wurde gar nicht mehr zugenäht, weil klar war, dass ich eine neue Leber brauchte. Ich wurde dann in ein künstliches Koma versetzt. Das war ziemlich heftig für meine Familie, weil ja keiner wusste, ob ich nochmal aufstehe oder nicht. Ich selbst habe alles verschlafen, weiß nichts mehr aus der Zeit. Ich hatte fiese Alpträume, habe wohl auch telefoniert und mit Schwestern gesprochen, aber ich weiß nicht, ob das im Koma war oder in der Aufwachphase, das kann ich überhaupt nicht einsortieren. Ich habe viel wirres Zeug geredet, war total konfus. Nach der zweiten Transplantation haben dann auch noch meine Nieren versagt und ich musste zur Dialyse. Zum Glück sind sie dann aber von alleine wieder angesprungen. Mittlerweile habe ich bessere Leberwerte als Nierenwerte – verrückt, oder? Ich habe erst später begriffen, was das alles für meine Familie bedeutet hat, gerade die Zeit, als ich im Koma lag. Meine Eltern konnten lange nicht über das Thema sprechen, aber die Jahre haben ihnen Sicherheit gegeben und mittlerweile geht es auch ihnen wieder gut.

„Das war ziemlich heftig für meine Familie, weil ja keiner wusste, ob ich nochmal aufstehe oder nicht.“

Lebensritter: Warum hat Ihre Leber denn eigentlich versagt?

 

Katja Möller-Golnik: Keine Ahnung. Auch die Ärzte konnten die Ursache nicht mehr feststellen, weil die Leber so zerstört war, dass man sie nicht mal mehr untersuchen konnte.

Lebensritter: Wie war die Zeit nach der Operation, in Ihrem neuen Alltag? Mussten Sie sich sehr umstellen?

 

Katja Möller-Golnik: Eigentlich nicht. Natürlich muss ich mit allem vorsichtig sein, was in der Leber verstoffwechselt wird. Was man darf und was nicht, damit habe ich mich anfangs sehr intensiv auseinandergesetzt. Aber es ist gar nicht so viel. Ich versuche, meinem Körper nichts zuzuführen, was der Leber schadet, also zum Beispiel Medikamente oder Alkohol. Auf Alkohol zu verzichten ist überhaupt kein Problem, ich habe ja auch vorher kaum getrunken, ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben betrunken. Und auch jetzt gibt’s höchstens mal ein Glas Sekt zu besonderen Anlässen, mehr aber auch nicht. Ist schon komisch: Ich habe fast nie Alkohol getrunken und trotzdem hat ausgerechnet meine Leber versagt. Auf Medikamente kann ich natürlich nicht verzichten. Wenn ich zum Beispiel beim Zahnarzt eine Prophylaxe machen lasse, muss ich vorher Antibiotika nehmen, das geht gar nicht anders.

Lebensritter: Hat sich Ihre Einstellung zum Leben verändert?

 

Katja Möller-Golnik: Ein bisschen schon. Ich war schon immer ein fröhlicher und optimistischer Mensch. Das hat sich nach der Transplantation noch gesteigert. Ich nehme mit, was geht, ich schiebe nichts mehr auf – ich weiß ja jetzt, dass das Leben von heute auf morgen vorbei sein kann. Ich treibe mehr Sport als früher, obwohl ich schon immer viel gemacht habe. Direkt nach der Transplantation musste ich mich erst schonen. Ging auch nicht anders, ich hatte ja kaum Muskeln. Dann bin ich aber durchgestartet: Mountainbike, Tennis, gerade mache ich meinen Tauchschein, ich trainiere für zwei Triathlons, einer hier in der Gegend in Melle, der andere in Hamburg – dass mein Körper jetzt so gut funktioniert, muss ich ja ausnutzen. Ich würde auch gerne an den Deutschen Meisterschaften der Transplantierten 2019 teilnehmen, ich weiß aber nicht, ob ich dafür fit genug bin.

„Ich war schon immer ein fröhlicher und optimistischer Mensch. Das hat sich nach der Transplantation noch gesteigert. Ich nehme mit, was geht, ich schiebe nichts mehr auf – ich weiß ja jetzt, dass das Leben von heute auf morgen vorbei sein kann.“

Lebensritter: Überanstrengen Sie sich dabei nicht?

 

Katja Möller-Golnik: Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören, ich weiß, was ich ihm zumuten kann und was nicht. Jeder sollte übrigens in sich reinhören und die Signale wahrnehmen. Am Anfang, also kurz nach der Transplantation, war ich wegen jeder Kleinigkeit beim Arzt, mittlerweile weiß ich, wann es notwendig ist und wann nicht. Ich persönlich regele viel über Aktivität, Sport ist für mich ein Ventil.

Lebensritter: Sprechen Sie mit anderen Leuten über Ihre Transplantation?

 

Katja Möller-Golnik: Ich rede mit vielen Leuten über Organspende, aber ich missioniere nicht, ich respektiere auch ein Nein. Aber man sollte sich Gedanken machen und eine Entscheidung treffen. Wir hatten mal bei uns in der Firma einen Sicherheitstag, da habe ich einen Stand mit Infos über Organspende betreut. Wir haben 160 Mitarbeiter und ich habe mit vielen gesprochen. Einige wussten von meiner Transplantation, andere nicht. An diesem Tag haben es alle meine Kollegen erfahren. In meiner Tasche sind grundsätzlich immer Organspendeausweise, die ich verteile …

„Einige wussten von meiner Transplantation, andere nicht. An diesem Tag haben es alle meine Kollegen erfahren. In meiner Tasche sind grundsätzlich immer Organspendeausweise, die ich verteile …“

Lebensritter: Ihre Tochter ist jetzt fünf Jahre alt, das heißt, Sie wurden nach Ihrer Transplantation schwanger. War das nicht ein Risiko?

Katja Möller-Golnik: Das war meine erste Frage nach der Transplantation – kann ich Kinder haben? Mit Kindern ist das nicht so einfach, das muss man gut planen. Meine Schwangerschaft verlief zum Glück normal, obwohl Janne zehn Wochen zu früh geboren wurde. Ich musste natürlich häufiger als andere zur Untersuchung, das habe ich auch in Münster machen lassen. Die Ärzte waren richtig froh, dass sie beim Ultraschall mal ein Baby gesehen haben und nicht immer nur Organe. Jetzt haben wir unsere Janne, und obwohl wir gerne noch mehr Kinder gehabt hätten, bleiben wir jetzt bei einem. Wir haben ein gesundes Kind – und wir wollen unser Glück nicht herausfordern!

„Die Ärzte waren richtig froh, dass sie beim Ultraschall mal ein Baby gesehen haben und nicht immer nur Organe.“

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