Kathrin Schröder hat, wie sie selbst sagt, bis zu ihrem 50. Geburtstag einen fairen Anteil an Krankheiten und Wehwehchen erhalten. Aber dann änderte sich das Leben der Düsseldorferin dramatisch: erst Rückenschmerzen, dann die Diagnosen Blutkrankheit und Budd-Chiari-Syndrom, schließlich Leberversagen. Nur durch eine Transplantation konnte ihr Leben gerettet werden. Über die Erlebnisse hat sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Buch geschrieben.
Lebensritter:
Frau Schröder, was ist denn eigentlich das Budd-Chiari-Syndrom, das von Ihrem Mann scherzhaft „Buddy“ genannt wird?
Kathrin Schröder:
Budd-Chiari ist meine Zweit-Erkrankung. Dabei handelt es sich um einen Verschluss der Lebervenen durch eine Thrombose. Meine Erst-Erkrankung ist das myeloproliferative Syndrom, eine Genmutation, die das Blut verändert.
Lebensritter:
Seit wann wissen Sie denn von Ihrer genetischen Blutkrankheit?
Kathrin Schröder:
Auch noch nicht so lange, das kam eigentlich erst heraus, als auch meine Leber Schwierigkeiten machte. Und dabei fing alles ganz harmlos an, nämlich mit Rückenschmerzen. Ich habe mir nichts dabei gedacht, weil wir mit einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt waren und das ja immer eine Menge Arbeit bedeutet. Ich habe fürs neue Jahr, also 2015, direkt einen Termin beim Chiropraktiker vereinbart. Es kam dann aber doch anders, weil sich in meinem Bauch innerhalb von drei Stunden eine so große Menge Wasser eingelagert hat, dass ich aussah wie im 9. Monat schwanger. Also ging’s mit dem Rettungswagen in die nächste Notaufnahme. Hier wurde dann die Diagnose Budd-Chiari gestellt. Und damit hat sich mein und unser Leben komplett verändert.
Lebensritter:
Wie ging es dann weiter?
Kathrin Schröder:
Ich musste immer mal wieder ins Krankenhaus, um punktiert zu werden, da sich in meinem Bauch ständig Wasser ansammelte. So auch im März 2016. In der Nacht vor der geplanten Entlassung kam es zur Leberzirrhose, mein Körper vergiftete sich selbst. An den nächsten Tag erinnere ich mich gar nicht mehr. Ich bin am 1. März im evangelischen Krankenhaus in Düsseldorf eingeschlafen und am 2. März auf der Medicare Station in Essen wieder aufgewacht. Ich dachte nur: Wo bin ich denn hier? Überall fiepte was, ich war an Geräte angeschlossen, Menschen rannten hektisch hin und her. Es folgten Untersuchungen, Behandlungen, Medikamente. Das Ergebnis war niederschmetternd – nur durch eine Lebertransplantation würde ich weiter leben können. Jetzt hatte ich ein weiteres Problem mit meiner Erst-Erkrankung: wenn meine Bluterkrankung als eine Art Krebs eingeschätzt worden wäre, hätte ich keine Chance auf einen Platz auf der Transplantationsliste gehabt. Aber dann hieß es: Glückwunsch, Sie sind auf der Liste! Und kurze Zeit später: Glückwunsch, wir haben eine Leber!
Lebensritter:
Haben Sie sich schnell erholt?
Kathrin Schröder:
Na ja… auf jeden Fall habe ich eine Formel-1-Leber bekommen, schon am nächsten Tag war meine quittegelbe Gesichtsfarbe einer vornehmen Blässe gewichen. Ich lag dann 20 Tage auf der Intensivstation, normal sind 3 bis 7 Tage. Ich konnte ohne Hilfe noch nicht mal den Kopf drehen. Zudem hatte ich enorme Schluckbeschwerden. Tabletten runter zu kriegen war mir schon immer schwergefallen, und jetzt klappte gar nichts. Mein Mann und ich haben dann eine Schluckmethode mit Wackelpudding entwickelt – drei Löffel Pudding, eine Tablette – das dauerte zwar immer bis zu zwei Stunden, aber es ging.
Lebensritter:
Sie haben über Ihre Erlebnisse gemeinsam mit Ihrem Mann ein Buch geschrieben – wie kam es dazu?
Kathrin Schröder:
Die Idee zu dem Buch hatte ich schon im Krankenhaus, aber da ging es mir so schlecht, ich konnte noch nicht mal sprechen oder mein Smartphone entsperren – geschweige denn schreiben. Ich habe in der Reha damit begonnen, habe mir 1000 Zeichen pro Tag als Minimum gesetzt. Das hat nicht immer geklappt, aber ich bin gut vorwärts gekommen. Das Buch beginnt 2014 und erzählt meine Krankheits- und Transplantations-Geschichte – aus meiner Sicht und der meines Mannes. Vorher habe ich mich mit dem Thema Organtransplantation nie beschäftigt, danach habe ich alles gelesen, was mir in die Finger kam, selbst Dissertationen über Erfahrungen der Charité mit dem Langzeitüberleben von Lebertransplantierten.
Christian Schröder:
Ich wollte schreiben, weil ich eine ganz andere Perspektive auf das Thema habe, ganz andere Sachen erlebt habe als meine Frau. Es gab viele verstörende Situationen, z.B. auf der Intensivstation: da steht gut sichtbar ein Aktenordner mit der Aufschrift „Totenscheine“ – wenn ich meine Frau besucht habe, musste ich immer daran vorbei! Da wird einem schon ganz anders. Zudem musste man den Ärzten alles aus der Nase ziehen – selbst am Tag der OP habe ich keinerlei Infos erhalten. Das war dann schließlich der Auslöser für mich, an dem Buch mitzuschreiben.
Lebensritter:
Frau Schröder, Sie haben Theologie studiert und waren viele Jahre ehrenamtlich als Prädikantin tätig. Haben Sie Ihren Glauben nie verloren?
Kathrin Schröder:
Nein. Aus meinem Umfeld kamen natürlich viele Fragen zum Thema Glauben. Ich habe mich zum Beispiel nie gefragt: Warum ich? Ich habe ja auch nie gefragt: Warum geht es mir so gut? Warum bin ich in diesem Land geboren? Warum bin ich seit über 30 Jahren glücklich verheiratet? Eigentlich muss die Frage – wenn man sie denn stellen will – doch heißen: Warum ich nicht?
Lebensritter:
Und wie geht es Ihnen heute?
Kathrin Schröder:
Heute geht es mir gut. Es gab keine Abstoßungserscheinungen, mein Alltag hat sich „normalisiert“. Ich bin natürlich nicht mehr so belastbar und mit dem Essen muss ich aufpassen: einmal habe ich Peking-Ente gegessen, das war eindeutig zu viel Fett – am nächsten Tag musste ich den Notarzt rufen. Aber das sind Erfahrungswerte, man lernt mit der Zeit, worauf man achten muss und wie der Körper reagiert.
Lebensritter:
Welche Rolle spielt das Schreiben in Ihrem Leben?
Kathrin Schröder:
Geschrieben habe ich schon immer, aber nur für die Schublade. Ich hatte nicht die Traute und auch nicht die Lust, etwas zu veröffentlichen. Mittlerweile habe ich drei Bücher verlegt: „Frau Kain regt sich auf“ mit 50 Geschichten rund um die Bibel, „Der magische Hauch“ mit über 30 Geschichten nach Grimms Märchen und zuletzt „Danke, Fremde/r, für mein Leben“. Das Schreiben tut mir gut, aber noch besser gefallen mir die Reaktionen auf mein Schreiben. Bei Lesungen zum Beispiel bekomme ich eine direkte Reaktion auf meine Geschichten. Und im Krankenhaus wurde ich mit einem riesengroßen Care-Paket beschenkt, das Leser, Autoren und Blogger für mich zusammengestellt hatten – mit Karten, Süßigkeiten, Stofftieren und vielen aufmunternden Worten: Du musst weiterschreiben! Wir brauchen das nächste Buch! Ich habe geweint, so gerührt war ich. Dieses Jahr bin ich auch endlich auf der Leipziger Buchmesse vertreten. Die letzte Buchmesse konnte ich ja wegen meiner Krankheit nicht besuchen. Und beim nächsten Patiententag in Essen werde ich eine Lesung aus meinem/unserem Buch halten.
Lebensritter:
Inwiefern hat sich Ihr Leben durch die Krankheit und die Transplantation geändert?
Kathrin Schröder:
Ich habe keine Angst mehr! Ich gehe forscher an viele Sachen ran und bin in vielen Dingen geduldiger geworden. Früher war ich hektisch und ungeduldig, heute kann ich irgendwo sitzen und einfach nur sein. Ich weiß, dass meine Grundkrankheit, also die Blutkrankheit, tödlich ist. Wie lange ich noch lebe, weiß niemand.
Christian Schröder:
Wir haben einen 40-Jahres-Vertrag geschlossen: wir wollen unseren 90. bzw. 95. Geburtstag gemeinsam feiern. Wir wollen nicht schwächeln, wir wollen füreinander da sein, miteinander leben, uns lieben und nach vorne schauen.
Das Wendebuch von Kathrin und Christian Schröder ist im ihleo verlag erschienen.
„Danke, Fremde/r, für mein Leben / Buddy – kein Freund fürs Leben“ ist auf der Webseite des Verlages erhältlich.