Charlotte lebt schon sehr lange mit einem Spenderherz, fast ihr ganzes Leben. Mit ihrer Geschichte möchte sie anderen Betroffenen Mut machen und den Menschen das wichtige Thema Organspende näherbringen. Wir haben uns ein wenig mit der 25-Jährigen ausgetauscht: über ihre Transplantation, ihr aktuelles Leben und ihr politisches Engagement.
Lebensritter: Sie leben seit 1998 mit einem Spenderherz. Wie geht es Ihnen im Moment und wie hat die Transplantation Ihr Leben beeinflusst?
Charlotte Rohrer: Richtig, ich wurde im Februar 1998 transplantiert, 15 Monate nach meiner Geburt. Im Februar dieses Jahres durfte ich meinen 24. Herzgeburtstag feiern. Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich noch immer mit dem selben Spenderherz lebe und bis dato keine Abstoßungsreaktionen hatte.
„Ich wurde im Februar 1998 transplantiert, 15 Monate nach meiner Geburt.“
Lebensritter: Konnten Sie durch die Transplantation ein „normales Leben“ führen?
Charlotte Rohrer: Wenn es um die Frage des normalen Lebens geht, bin ich zwiegespalten. Auf der einen Seite studiere ich im Masterstudiengang, kann selbstständig leben, meinen Hobbys nachgehen und mich auch mal auf einen Drink mit Freunden treffen. Auf der anderen Seite nehme ich täglich immununterdrückende Medikamente, die ich auch managen muss, werde häufiger und schneller krank und kenne einige Krankenhausflure in- und auswendig.
Ich habe gelernt, mit diesem Zwiespalt zu leben. Besonders die Unterstützung meiner Familie und Freunde, die mich als Tochter oder Freundin Charlotte behandeln und nicht als Charlotte „die Herztransplantierte“, hilft dabei sehr.
„Besonders die Unterstützung meiner Familie und Freunde, hilft mir sehr“
Lebensritter: Auf Instagram erzählen Sie Ihre Geschichte und klären über Organspende auf. Wie fällt die Resonanz aus? Sind Sie hierdurch mit anderen Transplantierten oder Wartelistenpatientinnen und -patienten in Kontakt gekommen?
Charlotte Rohrer: Die Resonanz auf meine Beiträge fällt bis jetzt sehr gut aus, sogar besser als erwartet. Ich durfte mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt treten: Von Organspende-Empfängern, mit denen man viele gemeinsame Erfahrungen austauschen kann, bis hin zu Interessierten, die sich grundsätzlich über die Organspende informieren möchten.
Besonders berühren mich aber die Geschichten von Wartelistenpatienten, die mich kontaktieren. Ich hoffe, ihnen Mut machen und Hoffnung schenken zu können. Außerdem möchte ich dem Thema Organspende ein Gesicht geben und mehr Dringlichkeit verleihen.
„Besonders berühren mich aber die Geschichten von Wartelistenpatienten, die mich kontaktieren. Ich hoffe, ihnen Mut machen und Hoffnung schenken zu können.“
Lebensritter: Was hat Sie dazu bewegt, sich zu engagieren?
Charlotte Rohrer: Ich habe lange gezögert, meine Geschichte öffentlich zu machen. Es sind doch viele Aspekte der eigenen Gesundheit und eben auch der Organspende sehr privat. Darin sehe ich allerdings auch das Problem, da sich Menschen in Deutschland nicht gerne mit dem Thema Organspende befassen.
Warum auch?! Es ist schließlich nicht schön, daran zu denken, was einmal nach dem Tod geschehen soll. Die meisten kennen auch keinen Menschen nach einer Organtransplantation und so bleibt das Thema abstrakt.
Ich möchte soziale Medien dazu zu nutzen, den Menschen die Organspende als lebensrettende Maßnahme näherzubringen. So will ich auch dabei helfen, eine Entscheidung für oder gegen die Organspende zu treffen.
Lebensritter: Spielte dabei auch Ihre Zeit in Amerika oder Ihr Politikstudium eine Rolle?
Charlotte Rohrer: Mein politisches Engagement und meine Zeit in den USA haben mich dahingehend sicherlich geprägt. In den USA ist die Organspendenbereitschaft deutlicher höher als in Deutschland, da viel offener und auch emotionaler mit dem Thema umgegangen wird.
Durch mein politisches Engagement durfte ich zudem beobachten, wie viel eine einzelne Person und eine einzelne Geschichte bewirken können.
„Durch mein politisches Engagement durfte ich zudem beobachten, wie viel eine einzelne Person und eine einzelne Geschichte bewirken können“
Lebensritter: Welche Veränderungen wünschen Sie sich rund um das Thema Organspende in Deutschland?
Charlotte Rohrer: Zunächst einmal begrüße ich, dass das Thema Organspende immer mehr allgemeine Resonanz in Deutschland findet und auch unser Parlament sich damit auseinandergesetzt hat. Das am 1. März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende wird hoffentlich einige Verbesserungen bringen.
Allerdings wird es bei einem kritischen Punkt nicht über die Tatsache hinweghelfen, dass es schon immer eine gravierende Diskrepanz gab: Zwischen dem Anteil an Menschen, die der Organspende grundsätzlich positiv gegenübersteht, und dem tatsächlichen Ausfüllen des Organspendeausweises.
Auch die jetzt geschaffene Möglichkeit der Einrichtung eines bundesweiten Online-Registers beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird daran nichts ändern.
„Beispiele aus den USA – einem Land mit hoher Organspendebereitschaft – zeigen, dass es hilft, dem Thema ein Gesicht zu geben. „
Lebensritter: Was meinen Sie, woran das liegt?
Charlotte Rohrer: Die Angst, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, spielt natürlich eine Rolle. Aber eben auch, wie die Kommunikation über dieses Thema geführt wird.
Das neue Gesetz sieht zwar vor, dass Menschen bei der Erneuerung ihres Personalausweises oder beim Arzt auf die Organspende angesprochen werden, allerdings bleibt zu kritisieren, dass das Gesetz die Bürde der Kommunikation in die Hände des ohnehin schon ausgelasteten medizinischen Personals legt – wie es beispielsweise beim Arzt der Fall ist. Und allein das Auslegen von Material in Meldebehörden wird sicher keinen signifikanten Unterschied machen.
Lebensritter: Was wäre Ihrer Meinung nach zielführend?
Charlotte Rohrer: Grundsätzlich wäre sicher mehr Aufklärungsarbeit an Schulen, Universitäten oder Volkshochschulen gut – also an Orten, die eine Kommunikation fordern und fördern. Natürlich wünsche ich mir persönlich, dass Menschen nicht nur den Organspendeausweis ausfüllen oder sich in ein Register eintragen lassen, sondern dabei auch zur Organspende bereit sind.
Zu sehen, dass man einem schwerkranken Menschen nicht nur das Leben retten, sondern auch wie in meinem Fall zu so vielen weiteren Lebensjahren verhelfen kann, ist vielleicht für den einen oder anderen inspirierend. Beispiele aus den USA – einem Land mit hoher Organspendebereitschaft – zeigen, dass es hilft, dem Thema ein Gesicht zu geben.
„Zu sehen, dass man einem schwerkranken Menschen nicht nur das Leben retten, sondern auch wie in meinem Fall zu so vielen weiteren Lebensjahren verhelfen kann, ist vielleicht für den einen oder anderen inspirierend.“
Wer mehr über Charlotte erfahren möchte, sollte ihren Instagram-Kanal besuchen.