„glaube_an_wunder2014“ – so heißt der Instagram-Account, der die Geschichte von Leon erzählt. Glücklicherweise eine Geschichte mit Happy End, denn Leon konnte 2021 erfolgreich transplantiert werden. Ein Spenderherz rettete sein Leben. Mama Jenny teilt ihre Erfahrungen, sämtliche Höhen und Tiefen mit der Community und bestärkt andere Eltern von herzkranken Kindern darin, an Wunder zu glauben.
Lebensritter: Ihr ältester Sohn Leon wurde 2014 mit einem schweren Herzfehler geboren. Wie war diese Diagnose für Sie, gab es während Ihrer Schwangerschaft bereits Komplikationen?
Jenny Schulz: Die Schwangerschaft mit Leon verlief eigentlich problemlos. Ich hatte zwar starke Wassereinlagerungen und die typischen „Zipperlein“, aber davon abgesehen war es eine normale Schwangerschaft. Leon wurde nach drei Tagen erfolgloser Einleitung schließlich per Kaiserschnitt geboren. Als nach der Geburt festgestellt wurde, dass etwas nicht stimmte, tat sich erstmal der Boden unter uns auf. Wir wussten vorerst nur, dass Leons Sauerstoffsättigung nicht gut war und er deshalb in die Kinderklinik verlegt werden musste.
Einige Stunden später durfte mein Mann zu ihm und erfuhr, dass Leon ganz schwer herzkrank war und direkt in ein Herzzentrum verlegt werden musste. Mein Mann sollte sich nur noch für eine Klinik entscheiden und dann ging es auch schon los. Plötzlich waren wir 140 Kilometer voneinander getrennt, da war Leon kaum ein paar Stunden alt. Als wir dann am nächsten Vormittag in Freiburg ankamen, wurde uns erklärt, was unserem Sohn eigentlich genau fehlte. Leon war mit einem „halben Herzen“ und leider weiteren Herz-„Baustellen“ zur Welt gekommen.
„Leon ist selbstbewusster geworden und er liebt sein neues Leben sehr.“
Lebensritter: Am 5. Tag nach seiner Geburt folgte schon die erste große Herz-Operation. Wie ging es danach weiter?
Jenny Schulz: Kinder mit Einkammerherzen, also einem komplexen, angeborenen Herzfehler, müssen sich normalerweise mehreren Operationsschritten unterziehen.
Beim ersten Schritt handelt es sich um eine Operationsmethode, die hauptsächlich bei Kindern zur Anwendung kommt, deren linkes Herz stark unterentwickelt ist. Dieser Eingriff verlief ohne Komplikationen, sodass wir insgesamt 14 Tage nach Leons Geburt dann wieder nach Hause durften. Im Anschluss erfolgten sehr engmaschige Kontrollen.
Daheim konnten wir langsam ankommen und uns gegenseitig kennenlernen. Die erste Zeit war geprägt von vielen Sorgen, aber man wächst ja bekanntlich mit den Aufgaben und Herausforderungen des Lebens. Außerdem hatten und haben wir einen hervorragenden Kardiologen in der Nähe, der uns besonders in dieser Zeit viele Ängste und Sorgen nehmen konnte.
Zwei Monate nach Leons Geburt erfolgte dann die nächste Herzkatheteruntersuchung als Vorbereitung auf den zweiten Operationsschritt. Hier war unser Sohn gerade mal sechs Monate alt. Leider kam es dieses Mal zu Komplikationen, sodass Leon von nun an auf einen Herzschrittmacher angewiesen war. So kleinen Kindern wird dieser in den Bauch implantiert, da am Schlüsselbein kein Platz ist.
Das stellte uns im Alltag immer wieder vor Herausforderungen. Wir mussten unter anderem versteckte Magnetfelder identifizieren – und die kann es überall geben, zum Beispiel beim Einkaufen. Irgendwann wurde aber auch das einfach normal.
„Das Thema Organspende muss endlich überall präsent werden.“
Lebensritter: Wann wurde Ihnen bewusst, dass Leon ein Spenderherz benötigen würde?
Jenny Schulz: So richtig klar wurde uns das 2018 nach der Herz-OP. Alles verlief ohne Komplikationen, wenige Wochen später stieg ein Teil von Leons Herzen jedoch einfach aus und hörte auf zu pumpen. Wie es dazu kam, weiß bis heute niemand. Und da wurde das Thema Organspende dann auch zum ersten Mal in den Raum geworfen.
Wir haben viele Monate versucht, die Pumpkraft durch ein bestimmtes Medikament wieder zurückzuerlangen, aber dies blieb leider ohne Erfolg. 2019 fiel dann die Entscheidung, Leon auf die Warteliste für ein Spenderherz aufzunehmen. Zuvor waren alle nötigen Untersuchungen durchgeführt worden und am 11. September war er dann plötzlich Wartepatient – und wir ab diesem Moment rund um die Uhr auf Abruf.
Lebensritter: Was war in den Jahren vor der Aufnahme auf die Warteliste passiert?
Jenny Schulz: Leon hatte bis zur Listung eigentlich eine recht normale Kindheit. Natürlich spielten Arztbesuche, Physiotherapie, Ergotherapie und andere Maßnahmen eine große Rolle bei uns, trotz allem war er aber ein sehr fröhliches und sorgloses Kind. 2018 und 2020 kam Leons Brüderchen zur Welt – in seiner Rolle als großer Bruder geht er bis heute sehr auf.
„Ich möchte anderen Mut machen, den Menschen zeigen, dass Wunder geschehen.“
Lebensritter: Insgesamt musste Leon etwa zwei Jahre auf sein Spenderherz warten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Jenny Schulz: Die lange Wartezeit war für uns Eltern
sehr kräftezehrend. Permanent auf Abruf zu sein, klingt eigentlich
einfach, aber es macht einen auf Dauer mürbe.
Wenn wir einen Ausflug geplant hatten, dann immer so, dass wir
schnellstmöglich in unser Herzzentrum hätten fahren können. Wir haben
immer geschaut, dass Leon weitestgehend infektfrei bleibt, denn mit
einem Infekt wäre er im schlimmsten Fall nicht transplantabel gewesen.
Tagsüber konnten wir die Sorgen weitestgehend verdrängen, aber abends
ging das Gedankenkarussell automatisch los. Werden wir es rechtzeitig
schaffen? Wird es überhaupt ein Organangebot geben? Was, wenn es ihm
schlechter geht? Wird er sterben?
„Als nach der Geburt festgestellt wurde, dass etwas nicht stimmte, tat sich erstmal der Boden unter uns auf.“
Lebensritter: Und was hat Ihnen in dieser schweren Zeit Zuversicht geschenkt und Kraft gegeben?
Jenny Schulz: Dass wir die Wartezeit zu Hause absitzen konnten, war das Einzige, was die Situation erträglich gemacht hat. Im Oktober 2021 war es dann nach knapp 25 Monaten so weit. Der Anruf kam und von diesem Zeitpunkt an haben wir einfach nur noch funktioniert.
Lebensritter: In sozialen Medien teilen Sie häufiger Einblicke aus Ihrem Leben und auch Leons Geschichte: Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Community gemacht?
Jenny Schulz: Die Resonanz auf unsere Geschichte ist toll und für mich persönlich ein Weg das Erlebte zu verarbeiten. Ich finde es aber auch einfach wichtig, diese Geschichten zu erzählen und präsenter zu machen. Vor Leons Geburt habe ich mich nie mit Herzerkrankungen, speziell Herzfehlern auseinandergesetzt. Dabei gehören sie zu den häufigsten Fehlbildungen, jedes 100. Kind kommt mit einem Herzfehler zur Welt.
Ich möchte anderen Mut machen, den Menschen zeigen, dass Wunder geschehen. Denn genau das haben wir selbst erlebt. Und egal wie schwer eine Situation ist, man darf niemals aufgeben.
Lebensritter: Was wünschen Sie sich rund um das Thema Organspende in Deutschland?
Jenny Schulz: Das Thema muss endlich überall präsent werden. Seitens der Politik kommt in der Hinsicht zu wenig und das macht mich wütend. Jedem Menschen sollte bewusst sein, dass es jede bzw. jeden von uns jederzeit treffen kann. Ich finde, es muss endlich die Widerspruchslösung eingeführt werden.
Organspende rettet Leben – Was will ich also unter der Erde mit meinen Organen? Es ist so wichtig, sich mit der Familie darüber zu unterhalten und die eigene Entscheidung zu dokumentieren.
Lebensritter: Wie geht es Leon mit seinem Spenderorgan heute?
Jenny Schulz: Ihm geht’s blendend, auch wenn der Start ins neue Leben alles andere als leicht war. Er hat sich aus den miserabelsten Situationen herausgekämpft und kann nun endlich richtig Kind sein. Leon ist so viel belastbarer als mit seinem kranken Herzen. Er hat sich äußerlich wahnsinnig verändert, ist selbstbewusster geworden und er liebt sein neues Leben sehr.
Wir sind dem Spender bzw. der Spenderin und den Angehörigen unendlich dankbar, dass unser Sohn die Chance auf ein zweites Leben bekommen hat.
„Organspende rettet Leben – Was will ich also unter der Erde mit meinen Organen?“
Mehr zu Leon und seiner Mutter Jenny auf ihrem Instagram-Kanal.