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„Als Organtransport-Fahrer ist kein Arbeitstag gleich“

Domenik Jung ist 35 Jahre alt und arbeitet seit 2001 für die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. in Niedersachsen/Bremen. Seit 2008 ist er in Hannover als Fachkraft für Blut- und Organtransport tätig und widmet sich damit täglich einer ebenso spannenden wie verantwortungsvollen Aufgabe.

Lebensritter: Welche Voraussetzungen mussten Sie für diesen Job erfüllen?

Domenik Jung: Um bei den Johannitern als Fahrerin oder Fahrer im Blut- und Organtransport eingesetzt zu werden, braucht es ein Fahrsicherheitstraining und eine mehrjährige Fahrpraxis. Außerdem ist eine medizinische Grundausbildung empfohlen.

 

Lebensritter: Wie sieht Ihre Arbeit als Fahrer im Organtransport aus?

 

Domenik Jung: Grundsätzlich sind wir deutschlandweit und in allen umliegenden Ländern unterwegs, die an die Stiftung Eurotransplant angeschlossen sind.

Wir in Hannover fahren zum Beispiel Blutkonserven zu Arztpraxen und transportieren Spenderorgane sicher zu den jeweiligen Krankenhäusern. Außerdem bringen wir die Ärzteteams sowie die Organspende-Koordinatorinnen und -Koordinatoren in die Kliniken.

„Um bei den Johannitern als Fahrerin oder Fahrer im Blut- und Organtransport eingesetzt zu werden, braucht es ein Fahrsicherheitstraining und eine mehrjährige Fahrpraxis.“ (Bildnachweis: Johanniter/Bettina Martin)

Lebensritter: Was ist bei diesen Fahrten zu beachten?

 

Domenik Jung: Beim Organtransport unterscheiden wir zwischen Abdominalchirurginnen und -chirurgen, die beispielsweise Lebern oder Bauchspeicheldrüsen transplantieren und nur in Niedersachsen von uns gefahren werden, und Herz-Thorax-Chirurginnen und -chirurgen, die maximal 2 bis 2,5 Stunden im Umkreis zum Spenderkrankenhaus transportiert werden.

Jedes Organ hat eine andere Ischämiezeit, die dringend eingehalten werden muss. Hierbei handelt es sich um den Zeitraum zwischen der Organentnahme und der Transplantation, in dem das Organ nicht mit Blut oder Sauerstoff versorgt wird. Um diese Zeitspanne so kurz wie möglich zu halten, kann es daher vorkommen, dass wir das Ärzteteam direkt zum nächstgelegenen Flughafen transportieren.

Lebensritter: Wie können wir uns einen Tages- bzw. Schichtablauf vorstellen?

Domenik Jung: Nach dem Anziehen unserer Einsatzkleidung melden wir uns gegen 6:45 Uhr bzw. gegen 16:45 Uhr in unserer Einsatzzentrale persönlich einsatzbereit.

Eine Tagschicht im Blut- und Organtransport bei den Johannitern in Hannover startet um 7:00 Uhr und endet um 17:00 Uhr, die Nachtschicht geht von 17:00 Uhr bis 7:00 Uhr morgens am Folgetag.

Der oder die diensthabende Disponent oder Disponentin teilt uns mit, welches Fahrzeug wir besetzen und welche Kolleginnen und Kollegen wir ablösen. Bei den Johannitern in Hannover stehen rund um die Uhr zwei Blut- und Organtransportfahrzeuge und tagsüber zusätzlich zwei Bluttransportfahrzeuge zur Verfügung.

Nachdem wir Fahrzeugschlüssel und Diensthandy am Fahrzeug ausgetauscht haben, checken wir das Auto nach dem „WOLKEN“-Schema durch. „WOLKEN“ steht dabei für Wasser, Öl, Luft, Kraftstoff, Elektrik und Notfallausrüstung. Des Weiteren prüfen wir die Temperatur unserer sogenannten Blutboxen im Fahrzeug.

Wenn wir bis jetzt noch keinen Auftrag erhalten haben, beginnt unser Wachalltag mit den täglichen Aufgaben wie der Desinfektion von Arbeitsmitteln oder der Pflege des Fahrzeugs.

Im Laufe des Tages führen wir meistens mehrere Fahrten durch. Bei einer Organspende bringen wir das Ärzteteam zum jeweiligen Krankenhaus und verbleiben dann dort, um im Anschluss einen schnellen Rücktransport ohne Zeitverzögerung zu ermöglichen.

Durch die vielen verschiedenen Fahrten ist kein Arbeitstag gleich. Jeder Tag, jede Nacht ist aufs Neue spannend, weshalb es keinen festen Schichtablauf gibt. Wer gestern noch mit einem Ärzteteam in Ostfriesland war, kann heute schon mit einem Organ in Richtung Berlin unterwegs sein.

Wenn wir gegen 17:00 Uhr wieder zurück sind, tanken und waschen wir das Fahrzeug und übergeben es an die Nachtbesatzung.

„Durch die vielen verschiedenen Fahrten ist kein Arbeitstag gleich. Jeder Tag, jede Nacht ist aufs Neue spannend, weshalb es keinen festen Schichtablauf gibt.“ (Bildnachweis: Johanniter/Bettina Martin)

Lebensritter: Die Verantwortung in diesem Bereich ist sehr hoch. Welche
speziellen Vorkehrungen werden während des Transports getroffen?

 

Domenik Jung: Bevor wir ein Ärzteteam transportieren können, müssen wir zunächst die beiden Blutboxen ausbauen, um zusätzlichen Platz zu schaffen. Das A und O ist außerdem die Ladungssicherung. Wir achten darauf, dass sowohl das für die Organspende benötigte Material, als auch das Organ in seiner Transportbox sicher montiert und vor dem Verrutschen geschützt ist. Hierzu stehen uns Antirutschmatten und Spanngurte zur Verfügung.

Wir bilden uns regelmäßig fort, damit wir nicht nur medizinisch fit sind, sondern ebenfalls die Ladung sicher verzurren können.

„Wir achten darauf, dass sowohl das für die Organspende benötigte Material, als auch das Organ in seiner Transportbox sicher montiert und vor dem Verrutschen geschützt ist.“ (Bildnachweis: Johanniter/Bettina Martin)

Lebensritter: In sozialen Medien wie Instagram machen Sie auf das Thema Organspende aufmerksam: Welche Rückmeldungen erhalten Sie dazu?

 

Domenik Jung: Meine Beiträge und Stories werden meistens sehr positiv aufgenommen. Mein Ziel ist es, die Menschen zu erreichen, die sich bisher noch nicht mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt haben bzw. falsch informiert sind. Viele denken immer noch irrtümlicherweise, dass ihnen in einem Notfall nicht vollumfänglich geholfen wird, wenn sie sich für die Organspende entschieden haben.

So teile ich neben Geschichten von Transplantierten auch Informationen rund um das Thema Organspende – zum Beispiel von den Lebensrittern – oder spannende, öffentliche Veranstaltungen, an denen jede oder jeder unvoreingenommen teilnehmen kann.

Lebensritter: Sprechen Sie auch mit Ihrer Familie und mit Freunden über das
Thema Organspende?

 

Domenik Jung: Der Großteil meiner Familie und Freunde besitzt ein Smartphone und ist im Internet unterwegs. Daher bekommt meine Familie natürlich mit, was ich so poste. Wir sprechen dann ganz automatisch auch mal darüber. Meine Mutter konnte ich nicht sofort von einer möglichen Organspende überzeugen, doch inzwischen unterstützt sie mich. So hat sie jetzt nicht nur einen Organspendeausweis, sondern mir auch mein Organspende-Tattoo zum Geburtstag geschenkt.

 

Lebensritter: Was gibt es über Ihr Organspende-Tattoo zu wissen?

Domenik Jung: Mein Tattoo ist ein Symbol, das signalisiert, dass ich für die Organspende stehe. Es zeigt einen Kreis mit zwei Strichen, die schräg nach unten verlaufen. Das Tattoo soll für Gesprächsstoff sorgen und auf eine andere Weise Organspenderinnen und Organspender gewinnen. Gerade in Hinblick auf die Widerspruchlösung, auf die man sich in Deutschland bisher leider nicht einigen konnte. Ein ausgefüllter bzw. ausgemalter Kreis symbolisiert das Gegenteil, also eine Contra-Haltung gegenüber der Organspende.

„Mein Tattoo ist ein Symbol, das signalisiert, dass ich für die Organspende stehe.“

Lebensritter: Welche Botschaft möchten Sie zum Thema Organspende senden?

 

Domenik Jung: Es wäre schön, wenn Sie alle für eine mögliche Organspende zur Verfügung stehen.

Auf Ihrem persönlichen Organspendeausweis können Sie sich aber auch gegen eine Organspende entscheiden. Wichtig ist nur, dass Sie Ihren eigenen Wunsch auf dem Ausweis dokumentieren und im Trauerfall diese Entscheidung nicht Ihren Angehörigen überlassen.

Mehr über Domenik au Instagram.

#OrganspendeGeschichten

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