Menschen

Aufklärung ist das A und O

Das Thema Organspende geht alle an. Nicht nur die direkt Betroffenen, sondern alle, die in der Lage sind, zu spenden. Aber wer ist dazu in der Lage, wie ist der Stand der aktuellen Situation in Deutschland – gerade hinsichtlich des Spahn-Vorstoßes – und wo liegen besondere Schwierigkeiten? Darüber haben wir mit Studierenden der Uni Düsseldorf gesprochen, genauer gesagt, mit Vertretern der Initiative „Aufklärung Organspende“.

Lebensritter: Die Initiative „Aufklärung Organspende“ wurde 2014 von Studierenden in Berlin gegründet, hat mittlerweile fast 20 Lokalgruppen an medizinischen Fakultäten überall in Deutschland und ist ein eingegliedertes Projekt der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd). Wie lange gibt es die Lokalgruppe Düsseldorf jetzt schon?

 

Marie Schulte:

Wir haben uns im Juli 2018 gegründet, ist also noch gar nicht so lange her. Die treibende Kraft und somit auch die Gründer waren Tessa Ridderskamp und Björn Hinsen.

 

Björn Hinsen:

Wir waren bei der bvmd-Mitgliederversammlung und sind dort mit den Leuten ins Gespräch gekommen. Die Idee, eine Lokalgruppe bei uns an der Uni in Düsseldorf zu gründen, kam dann sehr schnell.

„Die Idee, eine Lokalgruppe bei uns an der Uni in Düsseldorf zu gründen, kam dann sehr schnell.“

Lebensritter: Und wie war das Echo? Gab es Interessenten?

 

Björn Hinsen:

Und ob! Wir haben so mit 10 Leuten gerechnet – schlussendlich sind 40 Leute gekommen, wir mussten sogar den Raum wechseln! Damit hätten wir nie gerechnet … Jetzt sind wir so 20–25 Mitstreiter, der harte Kern besteht aus 5 Leuten. Beim 1. Treffen haben wir grob abgeklärt, wer was machen will, jetzt zeigt sich so langsam, wer in welchen Bereichen schwerpunktmäßig tätig ist. So wie Anna, die sich für Aufklärung an Schulen einsetzt.

 

Anna Heusch:

Falsche Infos stellen ein großes Problem dar, deshalb fangen wir jetzt auch damit an, an Schulen Aufklärungsarbeit zu leisten, also an Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen. Wir haben im Vorfeld einen Fragenkatalog ausgearbeitet und an die Schüler geschickt, mit ganz allgemeinen Fragen, also „Was denkst du über Organspende?“, „Hast du einen Ausweis?“ und Ähnlichem. Wir bringen zur Veranschaulichung einen Torso mit, damit wir grundsätzlich zeigen können, welche Organe überhaupt gespendet werden können, wir werden über Lebendspende und Todspende reden, über Hirntod und Herztod, darüber, wie eine Transplantation abläuft und wer darüber entscheidet, welche Organe wohin gehen. Aber auch, wie sich für die Betroffenen das Leben nach einer Spende verändern kann. Das wird im Rahmen vom Bio-Unterricht gemacht, aber auch in Gemeinschaftskunde, Philosophie und Religion – entsprechend werden wir dann auch die Themenschwerpunkte legen.

„Falsche Infos stellen ein großes Problem dar, deshalb fangen wir jetzt auch damit an, an Schulen Aufklärungsarbeit zu leisten, also an Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen.“

Lebensritter: Was sind die Ziele der Initiative „Aufklärung Organspende“?

 

Marie Schulte:

Die Kernziele sind ganz klar in unserem Leitbild definiert, das auch auf unserer Website zu finden ist: Jede/-r soll die nötige neutrale, sachgerechte Information und Aufklärung erhalten, um eine unabhängige Entscheidung treffen zu können. Diese soll gesellschaftlich respektiert werden, unabhängig davon, ob sie pro oder contra Organspende ausfällt. Die Entscheidung soll auf einem Organspendeausweis festgehalten und Angehörigen mitgeteilt werden. Werdende Ärzte/Ärztinnen und Pflegekräfte sollen aufgeklärt werden, um Wissen und Strukturen zu verbessern und sicherzustellen, dass der Wille des/der jeweiligen Patienten/Patientin umgesetzt wird. Wir wollen zu größerem gesellschaftlichen Diskurs anregen und Bewusstsein für den Themenkomplex in der gesamten Bevölkerung schaffen.

 

Björn Hinsen:

Es wäre auch toll, wenn wir es mit unserer Arbeit schaffen würden, dass das Thema Organspende in den Lehrplan an den Unis aufgenommen würde. Momentan wird es ja leider sehr spärlich behandelt.

„Die Entscheidung soll auf einem Organspendeausweis festgehalten und Angehörigen mitgeteilt werden.“

Lebensritter: Wart ihr als Lokalgruppe Düsseldorf schon aktiv?

 

Marie Schulte:

Ja, wir waren zum Beispiel am 13. November 2018 bei der Show „Endlich“  von Kabarettist und Mediziner Eckart von Hirschhausen. Wir wurden eingeladen und konnten uns an seiner Veranstaltung mit einem Info-Stand beteiligen.

Lebensritter: Und wie hat das Publikum auf die „Aufklärung Organspende“ reagiert?

 

Anna Heusch:

Der größte Teil der Besucher hat positiv reagiert und viele hatten schon einen Ausweis. Wir konnten aber auch einige Vorurteile ausräumen – viele glauben zum Beispiel, dass es bei der Organspende eine Altersbegrenzung gibt. Die gibt es aber nicht. Jeder, egal wie alt, kann spenden…

 

Marie Schulte:

Und dann kommt natürlich immer wieder die Frage auf: Bin ich wirklich tot, wenn mir die Organe entnommen werden?

 

Björn Hinsen:

Beim Lokalleitertreffen in Köln haben wir dieses Thema auch diskutiert und man merkt immer wieder, dass man durch eine richtige Aufklärung viele Vorurteile ausräumen kann. Zum Beispiel gibt es die Befürchtung, dass man mit Organspendeausweis bei einem Unfall von dem Rettungsassistenten liegen gelassen wird, also nicht behandelt wird, damit die Organe entnommen werden können…

 

Marie Schulte:

Manche haben sich auch aus Glaubensgründen gegen Organspende ausgesprochen. Egal was man davon hält – gegen Glauben kann man nicht argumentieren. Glaube ist unanfechtbar. Religion ist Auslegungssache.

 

Björn Hinsen:

Soweit ich weiß, gibt es keine Religion, die eine Organspende ausdrücklich verbietet. Was man daraus macht, wie man manche Sachen interpretiert, ist natürlich jedem selbst überlassen. Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass wir keine Werbung für Organspende machen, sondern für den Ausweis. Und was man darauf ankreuzt, ist jedem selbst überlassen. Wir wollen keinen überzeugen, wir wollen aufklären, damit man sich eine fundierte Meinung bilden kann – selbst wenn die Entscheidung „Nein“ lautet.

„Soweit ich weiß, gibt es keine Religion, die eine Organspende ausdrücklich verbietet.“

Lebensritter: Und wie geht man mit einem „Nein“ um?

 

Marie Schulte:

Medizin ist sehr persönlich. Man muss Menschen und ihre Entscheidungen akzeptieren – ich habe diese Erfahrung beispielsweise in der Onkologie gemacht, als sich eine Patientin
gegen eine Therapie entschied, obwohl eine Chance auf Besserung oder sogar Heilung
bestand. Das muss man dann hinnehmen, auch wenn es schwerfällt.

Lebensritter: Woran liegt es, dass so wenige Menschen ihre Organe spenden?

 

Björn Hinsen:

Wie gesagt, es gibt viele Vorurteile, viele Ängste und sicherlich hat auch der Organspende-Skandal im Jahr 2012 dazu beigetragen – wobei, das war ja kein Organspende-Skandal, sondern ein Organvergabe-Skandal. Die Folgen sind natürlich trotzdem verheerend.

 

Anna Heusch:

Man muss aber auch sagen, dass 2018 das erste Jahr ist, in dem die Zahlen der Organspenden wieder steigen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat zudem mit mehreren Vorschlägen zur Reformierung des deutschen Organspendesystems eine gesellschaftliche Debatte entfacht, Stichwort Widerspruchslösung. Aber es liegt nicht nur an den potentiellen Spendern, auch in unseren Krankenhäusern müsste sich etwas ändern. Kleine Krankenhäuser zum Beispiel haben meist nur kleine Intensivstationen mit nur einem Bett. Wenn ein potentieller Organspender eingeliefert wird, ist das Bett unter Umständen schon belegt. Fehlendes Fachwissen kommt auch dazu – nicht jedes Krankenhaus hat beispielsweise einen Neurologen, den man ja braucht, um einen Hirntod zu diagnostizieren. Es transplantiert ja auch nicht jedes Krankenhaus … Das ganze Thema ist nicht einfach und sehr vielschichtig – gerade deshalb ist eine neutrale Aufklärung so wichtig!

Lebensritter: Was ist eigentlich das Faszinierende an dem Thema Organspende aus der Sicht eines Mediziners?

 

Marie Schulte:

Ich finde es faszinierend, dass eine Organtransplantation medizinisch überhaupt möglich
ist, wenn man eine Vorstellung davon hat, wie komplex der menschliche Körper eigentlich
ist.

 

Anna Heusch:

Es ist manchmal die einzige Möglichkeit, die Lebensqualität eines Menschen zu verbessern. Wenn man nicht betroffen ist, fehlt das Bewusstsein, dass man etwas tun kann. Wir brauchen Aufklärung, um Therapie-Möglichkeiten zu geben.

 

Björn Hinsen:

Jemandem durch ein neues Organ das Leben zu retten. Damit gibt man gleichzeitig dem Tod eine andere, neue Wertigkeit.

 

Weitere Informationen zur Initiative und zur Lokalgruppe Düsseldorf gibt’s auf: Aufklärung Organspende Düsseldorf

„Jemandem durch ein neues Organ das Leben zu retten. Damit gibt man gleichzeitig dem Tod eine andere, neue Wertigkeit.“

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